Samuel Beckett 1906-1989 (Foto: Jane Brown)

Über Samuel Becketts Romane

Bestseller waren Becketts Romane gerade nicht, sind es auch zu keiner Zeit geworden. Es sind Romane, wie das Jahrhundert sie verdient. Beim breiteren Publikum eilt ihnen der Ruf voraus, schwierig, langweilig, sogar unlesbar zu sein. Ein Vorurteil, das sich bei der heutigen Lektüre nicht unbedingt bestätigt. Becketts Romane sind voll von abgründigem, rabenschwarzem Humor, sie entfalten eine ganz eigentümliche, bizarre Poesie und der illusionslose Sarkasmus des Autors erlaubt diese ungerührten, hellsichtigen und zwingenden Einblicke in das Groteske, Heillose und Verstörende der menschlichen Existenz, wie sie zuvor nur Dostojewski und Kafka zustande gebracht haben. Beckett ist im Grunde ein großer Realist: seine Helden, Lebensversehrte und Halbkrüppel, sind allesamt so gut wie tot, stammeln eine Menge albernes sinnloses Zeug und begehen kraftlose, konfuse Handlungen, die zu nichts führen – sind sie also nicht wie du und ich? Der Blick auf die condition humaine ist nüchtern und unverstellt, aber immer hochkomisch. »Nichts ist komischer als das Unglück«. Man kann die Welt anders ansehen als Beckett – aber sicher nicht ehrlicher und illusionsloser. Das Personal des Becketschen Prosawerks besteht aus Virtuosen des Unglücks, seltsam eigensinnigen, gleichmütigen Vergeblichkeitsartisten und Sinnverweigerern, verkrüppelt, von Schmerzen geplagt – allesamt Randgänger und komische Heilige, um ihr Ziel gebrachte Sucher und seit Ewigkeiten Wartende. Becketts frühe Romane sind Meisterwerke artistischen Sprachwitzes, abgründige Grotesken von einem Humor, so schwarz – um eine Lieblingssprachfigur von Beckett zu benutzen –, so schwarz also, daß schwarz schon nicht mehr das richtige Wort ist…

Der folgende Text stellt Becketts frühe Prosa in einen philosophischen Zusammhang und erläutert sie ein bißchen…

Beckett PDF

Gerade habe ich, pflichtgemäß, mein Programm fürs Herbstsemester abgeschickt. Wen’s interessiert, hier ist es schon mal:

Vorträge:

Denker der Verzweiflung

Der Volksmund weiß: Das Leben ist kein Ponyhof, und auch kein Wunschkonzert. Trotzdem sind sie beim breiten Publikum nicht sonderlich beliebt – jene Denker des Pessimismus und der Verzweiflung. Ihr Blick auf das Leben ist zumeist ätzend, gallig und bitter. Oft wird ihnen Inkonsequenz vorgeworfen, als sei Selbstmord das einzig folgerichtige Resultat ihrer Philosophie. Aber vielleicht haben diese Philosophen gerade deshalb geschrieben, um gegen den Tod anzudenken? – Aus Anlaß des 150. Todestages von Arthur Schopenhauer, dem philosophischen Erz-Grantler und „Euro-Budddhisten“, stellt die Vortragsreihe drei Denker vor, die eines verbindet: die Ablehnung des „ruchlosen Optimismus“ und das Leiden an der Existenz.

Arthur Schopenhauer (1788-1860): Mitleidlos aus Mitleid

Er ist der Erzvater des Pessimismus und des mitleidslos skeptischen Blicks auf das Leben, das für ihn gleichbedeutend war mit Leid und Schmerz. Dabei entwickelte der streitbare Polemiker, brillante Stilist und furiose Schimpfkünstler, der die herrschende Universitätsphilosophie zutiefst verachtete, eine Ethik, die vom umfassenden Mitgefühl mit der leidenden Kreatur erfüllt war. Der gelegentlich als „Euro-Buddhist“ bezeichnete Denker hat uns auch 150 Jahre nach seinem Tod noch etwas zu sagen…

21. September 2010, 20.00-21.30 Uhr

Leo Schestow (1866-1938): Die Vernunft und die Verzweiflung

Jeder Mensch mit Lebenserfahrung kennt, bei Schicksalsschlägen, schweren Erkrankungen oder dem Verlust geliebter Personen das Gefühl der Bodenlosigkeit, der Verzweiflung, des Verlustes von Gewissheit, Freiheit und Lebenssinn. Dieses Verlustgefühl und diese existentielle Erfahrung ist der Ausgangspunkt der Philosophie des russsisch-jüdisch-französischen Philosophen Leo Schestow. Seine Antwort freilich ist paradox: Der existentielle Schwindel resultiert aus einem allzu großen Vertrauen in Rationalität und Vernunft, behauptet er.

26. Oktober 2010, 20.00-21.30 Uhr

Emil M. Cioran (1911-1995): Vom Nachteil, geboren zu sein

Der rumänische Ex-Faschist, Anarchist und Nihilist Cioran, der den Großteil seines Lebens in einer kleinen Mansarde im Pariser Quartier Latin von Almosen lebte, gilt vielen als der finsterste, hoffnungsloseste und bösartigste Denker des 20. Jahrhundert. Sein Lebens-Thema: der „Nachteil, geboren zu sein“. Dies verbindet ihn mit Samuel Beckett, der daraus verzweifelt komische Theatersücke destilliert. Ciorans Verzweiflung und Weltverachtung ergießt sich dagegen in „Syllogismen der Bitterkeit“, Aphorismen, die einen düster-funkelnden Blick auf die menschliche Existenz werfen.

23. Oder 30. November 2010, 20.00 – 21.30 Uhr.

SEMINARE

Die Philosophie als praktische Übung

Michel Foucault als Denker der Selbstveränderung

Allmählich hat sich der Pulverdampf der Polemiken verzogen – heute kann auch in Deutschland niemand mehr die Bedeutung des einst so umstrittenen französischen Vordenkers des Poststrukturalismus, Michel Foucault (1929-1984) leugnen. Er hat Philosophie, Psychologie und Geschichtswissenschaft revolutioniert. Sein vielschichtiges, reichhaltiges Werk läßt sich schwer auf den Punkt bringen. Sollte man es doch, wäre sein Lebensthema wohl die Philosophie als Mittel, sich selbst zu verändern, um zu erreichen, daß „man anders denkt, als man denkt“. – Der Kurs bietet eine kommentierte Lektüre-Einführung in die Arbeit eines der spannendsten Denker des letzten Jahrhunderts.

Montags, 19.30-21.45 Uhr


Gegenwartsphilosophie für Laien verständlich gemacht:

Semiotik und Performanz

Für Laien zunächst schwer zu erschließen – die helle Aufregung, die heute der sprachphilosophischen Entdeckung der Performanz gilt. Philosophen, Kulturwissenschaftler, Theaterleute, Künstler und Ethnologen haben ein neues kulturtheoretisches Paradigma entdeckt: die Performanz. Der Brite John L. Austin (1911-1960) warf als erster die Frage auf: Was tut man damit, daß man etwas sagt? Welche Macht besitzt die Sprache? Welche Rolle spielen symbolische Handlungen, Rituale und Sprachspiele für die Konstruktion unserer Wirklichkeit? Was tun wir, wenn wir Rollenmuster wiederholen, sprachliche Bilder zitieren und Alltags-Mythen reproduzieren? Beruht vielleicht unsere gesamte gesellschaftlich-kulturelle Wirklichkeit auf der Re-Zitation, der Wiederholung von … Rollenspielen? – Der Kurs verspricht eine durchaus lebensnahe, inspirierende Einführung in eine neue Sicht auf unser Leben.

Mittwochs, 16.45-19.00 Uhr